4) Andere Bereiche (1996 bis 2009)
-a- Beliebtestes Geschenk für nur 55 Rappen
Nicht wenige Wissenschaftler sind hobbymässig auch Briefmarkensammler. Darum freuen sie sich, wenn sie eine seltene Briefmarke geschenkt bekommen. Für die Liechtensteiner Delegation ist das eine willkommene Gelegenheit, auf sympathische Weise mit ausländischen Kollegen ins Gespräch zu kommen und nebenbei zur Imageförderung Liechtensteins beizutragen. Bei der Delegiertenversammlung der European Physical Society (EPS) ist die Verteilung der neuesten Liechtensteiner Briefmarke zu einer beliebten Tradition geworden. Jedes Jahr wird eine Briefmarke mit einem wissenschaftlichen oder technischen Thema ausgewählt, mit einer Kurzbeschreibung auf Französisch oder Englisch versehen und als Visitenkarte überreicht.12 Hier eine Liste der interessantesten dieser Andenken:13
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Im Jahr 2009 kam eine Briefmarke auf Hologrammpapier heraus, gewidmet dem internationalen Jahr der Astronomie.
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Im Jahr 2011 war es die thermochrome Briefmarke, bei der ein Symbol durch wärmeempfindliche Tinte verdeckt ist, die durchsichtig wird, sobald man den Finger drauflegt.
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Im Jahr 2012 eine Weltneuheit: eine laser-geschnittene Briefmarke. Der Laserschnitt wurde in Liechtenstein von der Gutenberg AG entwickelt, um ein Kunstwerk im Scherenschnitt-Stil zu gestalten.14
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Im Jahre 2013 wurde zur Ausstellung «Matheliebe» eine Briefmarke herausgegeben, auf der die 17 ersten Fibonacci-Zahlen stehen und im Hintergrund ein Weinrebenblatt einer Liechtensteiner Traubensorte abgebildet ist, zusammen mit einer identischen Grafik, die durch ein mathematisches Modell generiert wurde.
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Im Jahr 2014 wurde die erste portogültige private Marke zur Vorbereitung des Internationalen Jahres des Lichts in einer Auflage von 60 Stück herausgegeben.
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Im Jahr 2015 erschien die berühmte offizielle Briefmarke zum gleichen Anlass (siehe Kapitel «Jahr des Lichts»).
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Anfang 2016 gab es keine neue Briefmarke, aber einen Abschlussbericht in Form einer Postkarte mit den beiden Briefmarken von 2014 und 2015, frankiert und gestempelt.
12 Abbildungen der ausgewählten Briefmarken mit der Kurzbeschreibung auf der Webseite:
13 https://www.dachverband.li/naturwissenschaftliches-forum/philatelie
14 Die lasergeschnittene Briefmarke aus dem Jahr 2012:
https://www.dachverband.li/application/files/6115/0900/5245/LaserDragon2012.jpg
Der Vereinskassier des Naturwissenschaftlichen Forums freut sich immer, wenn das beliebteste Geschenk nur 55 Rappen kostet!
Viele Länder haben aus Anlass des Internationalen Jahres des Lichts der UNESCO eine Gedenkbriefmarke ausgegeben, nur wenige davon wurden im 200-seitigen UNESCO-Bericht abgebildet – darunter jene Liechtensteins. 15
Gelegentlich findet die Liechtenstein-Philatelie Einzug in wissenschaftliche Zeitschriften, wie z. B. die Briefmarke 2018. Sie kann als Beispiel dienen, wie man als Lehrperson Objekte des täglichen Lebens für den Optik-Unterricht einsetzen kann.16
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EPS-Präsidentin, Luisa Cifarelli, freut sich über die FL-Briefmarke
-b- Erste Bronzemedaille
Zu den sonstigen «Aktionen mit internationaler Wirkung» kann man Schulveranstaltungen zählen, wie etwa die Wissenschaftsolympiaden oder Comenius-Projekte.
Cyril Deicha wurde 1991 am Liechtensteinischen Gymnasium mit einem auf Physik reduzierten Pensum angestellt. Als der Neuling vorschlug, an einer Wissenschafts-Olympiade teilzunehmen, stiess er in der damaligen Fachschaft Mathe-Physik auf wenig Resonanz. Erst nach der Errichtung einer eigenen Fachschaft Physik entschloss sich das Schulamt zu einem Versuch unter der Leitung des Physiklehrers Fritz Epple. Die erste Teilnahme an diesem Internationalen Schülerwettbewerb fand 1999 in Padua statt. Fabian Hassler17 und Benedikt Biedermann brachten damals Bronze nach Liechtenstein.
15 Gonzalès, R. Final Report - The International Year of Light UNESCO-Bericht (auf Seite 45)
16 Deicha, C.: Physique et Philatélie. In: BUP Paris. Nov. 2016, S. 1327-1329
17 Liechtensteiner Volksblatt, 23.10.1999, S. 7
Bildungsminister Norbert Marxer, seines Zeichens selbst Physiker, würdigte an der Jahrestagung des Naturwissenschaftlichen Forums am 27.11.1999 die erste liechtensteinische Medaille an der internationalen Physikolympiade. «‹Gerade in Liechtenstein waren über die Jahre hinweg die Studienwünsche der Maturandinnen und Maturanden sehr einseitig auf wenige Fächer abgestellt. Umso erfreulicher ist die Tatsache, dass es einigen Fachlehrern gelungen ist, das Interesse für Naturwissenschaften, besonders für Physik wieder zu wecken. [...].›» [...] «‹Einen Bildungsminister, der so fachgerecht reden kann, findet man eher selten›, meinte […] nicht ohne Stolz [der Schuldirektor]. Nicht nur fachgerecht, sondern voller Begeisterung sprach Norbert Marxer, versäumte auch nicht, die Mädchen zu motivieren. [...] Es gebe immer noch Sachen, die man nicht weiss, die man erforschen kann.» 18
-c- „Damals in den Neunzigern“
Im Rahmen der Union des Physiciens wurden erste Kontakte zu Vertretern des Comenius-Projekts ‹Eurenerg› (Energie in Europa) geknüpft. Der vorbereitende Konferenzbesuch zum Projekt fand vom 25. - 29. Oktober 1997 in Metz statt, an dem aus Liechtenstein Dr. Hans Marxer und Dr. Cyril Deicha teilnahmen.19 Im Jahr darauf folgte der Kongress in Caen.20
Das Ziel der Studie lautete: «Wie wird der Begriff ‹Energie› in den verschiedenen Ländern im Unterricht umgesetzt?» Der Auftrag an die Delegationen der Teilnehmerländer war es, eine Sammlung von Bildungsressourcen für Lehrpersonen zu veröffentlichen.21 Die Arbeit sollte spätestens Ende des Jahres 2001 beendet sein.
Die Comenius-Arbeitsgruppe bestand aus acht europäischen Lehrerverbänden:22
- Deutschland (Verein zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts MNU),
- Belgien (Association belge des professeurs de physique et chimie ABPPC),
- Spanien (Collegi de Doctors i Licenciats en Ciènces de Catalunya),
- Frankreich (Union des Physiciens UdP),
- Liechtenstein (Naturwissenschaftliches Forum NWF),
- Luxemburg (Association des Chimistes Luxembourgeois AChiL),
- Polen (Polskie Stowarzyszenie Nauczycieli Przedmiotów Przyrodniczych PSNPP)23 und
- Grossbritannien (Association for Science Education ASE).24
- Das Projekt «Energie in Europa» ist eine Studie und als solche Teil des gesamteuropäischen Comenius-Socrates-Programms zur Schul- und Bildungsförderung.25
18 Liechtensteiner Vaterland: Liechtensteins Jugend behauptet sich unter den Besten. 29.11.1999, S. 6:
19 Bericht in Schule Heute 1/2000, S. 40 und in den LGnachrichten 2002/1, Seite 17:
20 Tageszeitung Ouest-France, 22.10.1998:
21 https://cite.monsite-orange.fr/file/9bc2b1ed290fd651e779190486180ec5.pdf
22 LGnachrichten, Sept. 2002
23 Webseite des Polnischen Lehrervereins: http://kocur.jupe.pl/index.php/wspolpraca-zagraniczna
24 Bulletin de l’Union des Physiciens Vol 95, Dez. 2001, S. 1845 :
25 Zeitschrift des französischen Lehrervereins: Bulletin de l’Union des Physiciens, 1998:
Anekdoten von damals
Eine Bedingung für die Genehmigung des Projekts war, neue Medien einzusetzen. Vergessen wir nicht, dass das, was heute zur Selbstverständlichkeit gehört, damals eine Seltenheit war: Das Wort «Digitalisierung» kannte man damals in der Öffentlichkeit kaum. Das Liechtensteiner Schulamt hatte gerade angefangen, Computer zu verbinden und ein «Schulnetz» aufzubauen, was einen Zugang zur Neuheit «Internet» ermöglichte.
Eine Videokonferenz wurde im Comenius-Projekt ausprobiert. Damals ging das noch nicht übers Internet! Damals, im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, war die Vorstellung, stundenlang grenzüberschreitend mit mehreren Partnern zu telefonieren – und einander via Monitor gar zu sehen – für die meisten eine Art Science-Fiction-Fantasie.
In den 1990er-Jahren gab es allerdings einzelne Unternehmen in Liechtenstein, die einen speziellen Videoraum hatten. Eines dieser Unternehmen war die Hilti AG. Der Videoraum war sehr aufwendig ausgestattet mit Modems, Kameras, Mikrofonen, alles bedient von einer Technikerin. Die technischen Geräte waren an mehrere störungsfreie Telefonleitungen angeschlossen. Mit einer Empfehlung der Regierung erhielt das Naturwissenschaftliche Forum von der Hilti AG das Privileg, dieses kostspielige Kommunikationsmittel für eine Besprechung mit Comenius-Delegierten in fünf verschiedenen Ländern einmalig auszuprobieren.
Die regelmässigen Arbeitssitzungen zum Comenius-Projekt waren dann aber doch wieder mit persönlichen Treffen verbunden, so in Lothringen, in Katalonien oder zuletzt in der Pfalz, wo auch Erinnerungsfotos entstanden.26
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Das Endprodukt dieses Projekts war eine CD-ROM mit der Aufschrift «Eurenerg». Sie erschien nach anfänglichen Verzögerungen am letzten Tag des Jahres (am 31. Dezember 2001) und somit knapp fristgerecht. Mängel am Layout sind auf diese Schwierigkeiten zurückzuführen.
Diese Mängel haben sich aber als Vorteil für Liechtenstein herausgestellt.27 Der Grund: Da Liechtenstein als eines der wenigen Länder seine Texte immer pünktlich lieferte, kam es schlussendlich dazu, dass die meisten deutschsprachigen Beiträge auf dem Datenträger aus Liechtenstein kamen. Viele davon hatten einen lokalen Bezug.28
Das Comenius-Projekt wurde Anlass zur Berichterstattung in Ouest-France, eine der grössten regionalen Tageszeitungen Frankreichs. Über Liechtenstein, das kleine «Steuerparadies», hatte in der ostfranzösischen Provinz kaum jemand etwas Positives gehört. Dass Liechtenstein zum europäischen Physikunterricht Nützliches beitragen will, hat sich im Jahr 1998 herumgesprochen und dem Journalisten von Ouest-France anscheinend gefallen. Er schrieb:
«Physiker und Chemiker im Kongress: über 500 Physik- und Chemie-Lehrer waren in Caen am Wochenende anlässlich der 46. Tagung der Union des Physiciens. [...] ‹Wir arbeiten viel zusammen mit den anderen europäischen Ländern›, sagt Jacques Marie. Tatsächlich sind einige Lehrpersonen aus Grossbritannien, Deutschland und Belgien gekommen, aber auch aus Italien, Polen oder Liechtenstein. [...]. ‹Wir haben eine Sitzung mit der Gruppe Europa›, erklärt Cyril Deicha, Dozent in Liechtenstein. Wir arbeiten mit 12 Ländern der EU an einem Projekt, genannt Comenius, dessen Ziel es ist, die naturwissenschaftlichen Lehrpläne der teilnehmenden Länder zu koordinieren.»29
-d- Sympathisches Liechtenstein
Auch kleine Besonderheiten Liechtensteins können auf sympathische Weise beschrieben werden:
«Unser kleines Fürstentum weist Besonderheiten auf, die das Vereinsleben noch wichtiger erscheinen lassen. Klein, aber fein, Liechtenstein hat schon immer ein grosses Potential an flächendeckender Laienkultur gehabt, was in Ballungszentren anderer Länder aus verschiedenen Gründen leider zu oft verloren gegangen ist.»30
So beschreibt die Zeitschrift Vereins-Info die Besonderheiten der liechtensteinischen Vereinsszene:
«Die Ursprünge einiger jetzt noch aktiver Vereinigungen reichen bis ins achtzehnte Jahrhundert, das heisst Jahrzehnte, bevor Liechtenstein überhaupt als souveräner Staat existiert hat. Bei den meisten Dorf- und Landesvereinen haben die ehrenamtliche Freiwilligenarbeit und die dadurch entstandene Vernetzung mindestens ebenso viel Gewicht und Bedeutung wie die Politik oder die Arbeitswelt. Verbände und Vereine spielen bei uns neben ihrer Eigenaktivität eine grosse Rolle im Sinn der Konkordanz, der Interessensbündelung, der gesellschaftlichen Kommunikation und der Verkürzung der Informationswege. Damit bilden sie einen Grundstein der legendären Stabilität Liechtensteins und seiner nationalen Identität. Die Art, mit der die liechtensteinischen Vereine die nationale Identität eines ganzen Staates prägen, ist sicher weltweit einzigartig.» 31